Es ist heute schwer zu sagen, ob Martin Luther King, hätte er seine Arbeit fortsetzen dürfen, einen noch nachhaltigeren Einfluss auf die amerikanische Geschichte gehabt hätte oder ob auf eine zynische Weise sogar sein gewaltsamer Tod dazu beigetragen hat, dass sein Name für immer untrennbar mit einer längst überfälligen Entwicklung synonym steht, die ein ganzes Volk verändert hat. Fest steht, dass auch heutige Generationen – nicht nur Amerikaner und nicht nur die schwarze Bevölkerung – ihm mehr zu verdanken haben, als Geschichtsbücher zum Ausdruck bringen können. An King wird heute an vielen Orten erinnert, viele Einrichtungen sind nach ihm benannt und die USA begehen in jedem Januar einen Gedenktag zu seinen Ehren. Auch in der heutigen Zeit würde Martin Luther King Jr. sicher noch einige Ansatzpunkte für seine Arbeit finden, trotz aller Fortschritte, die dank ihm und seiner Mitstreiter gemacht worden sind.

Martin Luther King Jr. wurde am 15. Januar 1929 als Sohn des Predigers Martin Luther King Sr. und der Lehrerin Alberta Christine Williams King in Atlanta, Georgia geboren. Die Anlehnung seines Namens an Martin Luther war für den tiefgläubigen Mann stets von großer Bedeutung. Obwohl er im Gegensatz zu vielen anderen Schwarzen in gehobenen Verhältnissen aufwuchs, war King die Geschichte der Rassenunterdrückung doch auch aus der eigenen Familie bekannt, denn sein Großvater war als Sohn von Sklaven geboren worden. Den alltäglichen, selbstverständlich gewordenen Rassismus in den Südstaaten, der sich in strenger Rassentrennung in sämtlichen öffentlichen Einrichtungen ausdrückte, kannte King aus eigener Erfahrung und schon als Jugendlicher begann er, sich gegen diese Diskriminierungen einzusetzen.

Früh entdeckte er sein Talent für das öffentliche Reden; ein Können, das er als Hilfsprediger in der Kirche des Vaters und an der Hochschule weiter entwickelte. Martin besuchte zunächst das Morehouse College in Georgia, das er 1948 mit einem Abschluss in Soziologie verließ. Danach ging er nach Chester, Pennsylvania, wo er am Crozer Theological Seminary Theologie studierte. Hier bildete er sich philosophisch fort und stellte Überlegungen zur Theorie des Predigens und des öffentlichen Redens an. Gleichzeitig fand er durch das Studium verschiedener Schriften seinen Weg in Bezug auf soziale Reformen und die Form der politischen Arbeit, die er verfolgen wollte. King wird damit zitiert, dass ihn vor allem Mahatma Gandhis Ansichten in dieser Hinsicht geprägt haben. Er beendete seine akademische Laufbahn schließlich 1955 mit einem Doktortitel in Philosophie von der Boston University.



Schon 1953 war King in die Südstaaten zurückgekehrt und hatte eine Pastorenstelle in einer Baptistenkirche in Montgomery, Alabama angenommen. Montgomery war damals eine zum Großteil von Schwarzen bewohnte Stadt, in der diese gleichwohl, wie überall im Süden, von den Weißen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Mit der Entscheidung für Montgomery hatte King, ohne es zu ahnen, einen entscheidenden Grundstein für seine Zukunft gelegt. 1955 wurde die Stadt Schauplatz des über ein Jahr dauernden Montgomery Bus Boykotts. Ausgelöst wurde diese Aktion der schwarzen Bevölkerung durch die Verhaftung von Rosa Parks, einer Bürgerrechtlerin, die sich im Bus geweigert hatte, für einen Weißen den Platz frei zu machen. King wurde zum Koordinator der Aktion, mit der deutlich gemacht werden sollte, welch bedeutender wirtschaftlicher Faktor die schwarze Bevölkerung war und wie wenig Rechte sie trotzdem besaß. Der Erfolg des gewaltlosen Boykotts, zum Ausdruck gebracht durch das 1956 durch den Supreme Court verhängte Verbot der Rassentrennung in den städtischen Bussen, führte zu weitreichender Anerkennung der Arbeit Martin Luther Kings, der in der Folgezeit in zahllosen Veranstaltungen im Süden der USA für seine Vorstellungen vom Widerstand gegen die Unterdrückung warb.

Der steigende Bekanntheitsgrad öffnete King viele Türen – seine Worte wurden gehört und nach und nach konnten er und seine Southern Christian Leadership Conference SCLC einige Erfolge im Kampf gegen die Ungleichbehandlung erringen – er hatte aber auch Schattenseiten. Weißen Fanatikern wie etwa dem Ku-Klux-Klan wurde King ein Dorn im Auge und über kurz oder lang begann sich auch das FBI, insbesondere dessen damaliger Chef J. Edgar Hoover, für King zu interessieren.

Das politische Klima im Amerika der 60er Jahre war aufgeheizt und die öffentliche Meinung polarisierte sich an vielen Punkten. Der Vietnam-Krieg, der Umgang mit Fidel Castros Kuba, Präsident Kennedys liberale Amtsführung, die Emanzipation der farbigen Bevölkerung und der Umgang mit dem Kommunismus waren wichtige Themen, an denen sich die Ansichten unversöhnlich gegenüber standen. Der panikähnliche Versuch, jeglichen Hauch von kommunistischem Gedankengut aus den USA zu vertreiben, lieferte Hoover schließlich die Vorlage für eine umfassende, weit in die Privatsphäre reichende Überwachung Martin Luther Kings, als dieser sich zur Zusammenarbeit mit dem Anwalt Stanley Levison entschloss. Dieser wurde schon lange zuvor kommunistischer Umtriebe verdächtigt und Kings Kooperation mit Levison wurde zum Deckmantel für den Versuch, die Gleichberechtigungsbewegung der Schwarzen ins Visier des FBI zu rücken.

In der Folge des Montgomery Bus Boycotts sah sich King größeren Hindernissen als zuvor ausgesetzt. Mehrfach wurde er in den folgenden Jahren verhaftet, häufig mit fragwürdigen Begründungen; seine Aktionen wurden häufiger von den Ordnungskräften unterbunden. Beispiele dafür waren die seit 1961 stattfindenden friedlichen Proteste in Albany, Georgia an denen er teilnahm und die schließlich ohne vorzeigbare Erfolge blieben. King lastete das Scheitern der Aktionen mangelnder Vorbereitung und Organisation an und zog daraus Schlüsse für seine weitere Arbeit. In Birmingham, Alabama organisierte er ab 1963 einen Protest gegen von weißen Inhabern geführte Kaufhäuser, bei dem dort Weißen vorbehaltenen Imbissecken friedlich von Schwarzen blockiert wurden. Die Aktion, ergänzt durch abendliche Zusammentreffen der Protestierer in Kirchen, setzte sich über mehrere Tage fort. King als Anführer und Motivator der Teilnehmer wurde verhaftet und erst nach acht Tagen wieder freigelassen, was seinen Bekanntheitsgrad weiter steigerte. Die Aktion eskalierte schließlich, als die Polizei am 3. Mai zum ersten Mal mit großer Brutalität gegen die Demonstranten vorging, was landesweit für Aufsehen sorgte. Um weitere Bilder dieser Art zu verhindern, entsandte Präsident John F. Kennedy Vertreter der Regierung nach Alabama, die schließlich zwischen beiden Seiten einen Kompromiss aushandelten, der gemeinhin als Erfolg für Kings Bewegung gewertet wurde.



Wie sich zeigen sollte, waren die Geschehnisse von Birmingham erste Vorboten für den schärfer werdenden Konflikt zwischen Schwarz und Weiß. Vor allem die weißen Extremistengruppen, in erster Linie der Ku-Klux-Klan, reagierten auf den breiter werdenden Protest und die wachsende Öffentlichkeit mit Gewalt. Immer wieder kommt es in den folgenden Monaten zu Entführungen und Ermordungen von Bürgerrechtlern sowie zu Anschlägen, unter anderem auf Martin Luther King. Diese brutalen Unterdrückungsversuche führen aber auch dazu, dass sich immer mehr Menschen der von King und anderen geführten Bewegung anschließen. Den beeindruckendsten Beweis dafür lieferte King, als er zusammen mit anderen Führern der Civil Rights-Bewegung, den Marsch auf Washington organisierte, bei dem im Juni 1963 mehr als 250.000 Menschen für Gleichberechtigung und Freiheit demonstrierten. Den Hintergrund bildete eine Gesetzesinitiative Kennedys zur weitgehenden Aufhebung der Rassentrennung, die dem Kongress zur Abstimmung vorlag. Martin Luther King hielt im Rahmen des Marsches seine berühmte I have a dream- Rede.

Nur wenige Wochen nach diesem beeindruckenden Signal an die Öffentlichkeit wurde John F. Kennedy ermordet, der bis dahin der schwarzen Bürgerrechtsbewegung die Türen zur Regierungspolitik weiter geöffnet hatte als das jemals zuvor der Fall gewesen war. Viele fürchteten nach Kennedys Tod Rückschritte im Kampf um die Gleichberechtigung. Der Nachfolger im Präsidentenamt, Lyndon B. Johnson, sorgte jedoch dafür, dass das Gesetz 1964 erlassen wurde. Im gleichen Jahr, auf dem Höhepunkt dessen, was er politisch hatte erreichen können, wurde Martin Luther King der Friedensnobelpreis verliehen.

Besonderer Widerstand schlug der Bewegung trotz der gesetzlichen Aufhebung der Rassentrennung noch immer im Süden der USA entgegen, insbesondere in Mississippi und Georgia, wo die jeweiligen Gouverneure sich geweigert hatten, das Gesetz umzusetzen. King konzentrierte sich fortan noch mehr als zuvor auf diesen Teil des Landes, etwa mit Aktionen in der Stadt Selma, Alabama, wo er die Aufnahme der Schwarzen in die Wählerlisten erreichen wollte, ohne dass diesen Hindernisse in den Weg gestellt wurden. Vier Demonstranten starben bei den Protestaktionen – ein weiterer Wendepunkt in der Bewegung, die von nun an radikaler wurde. 

Der aus dem Südosten der USA stammende Martin Luther King hatte mit seinen Vorstellungen vom gewaltfreien Widerstand im Norden und Westen des Landes von Beginn an einen schweren Stand. Die dortigen Führer wie etwa Malcolm X verfolgten radikalere Vorstellungen, die zum Beispiel 1965 in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles, zu gewalttätigen Unruhen geführt hatte. Kings Versuch, in Chicago durch friedlichen Protest eine bessere Wohnsituation für Schwarze herbeizuführen, scheiterte 1966. Die Diskussion zwischen den Demonstranten darüber, ob künftig gewaltfrei oder radikalisiert vorzugehen sei, verstärkte sich danach nochmals. Trotzdem versammelte King 1967 die beeindruckende Zahl von 200.000 Menschen zu einem Protestmarsch in New York City.

Während Martin Luther King so erleben musste, wie sich viele Gesinnungsgenossen aus der schwarzen Bevölkerung wegen der Diskussion um die Gewaltlosigkeit von ihm abwandten, so zeichnete er zu einem gewissen Teil selbst für schwindende Unterstützung aus der Politik verantwortlich – unter anderem auch von Präsident Johnson -, als er sich wiederholt öffentlich gegen den Vietnamkrieg wandte. Er verfolgte diesen Weg jedoch konsequent und wollte die nächste Großaktion, einen Marsch nach Washington, auch ins Zeichen des Protestes gegen diesen Krieg stellen. Zuvor jedoch leitete er zahlreiche Aktionen in Memphis, die zum Teil vom FBI derart sabotiert wurden, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kam.

Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King in Memphis erschossen. Als Täter wurde James Earl Ray verhaftet und verurteilt, es gab und gibt jedoch immer wieder Theorien und Aussagen, nach denen der Kleinkriminelle Ray nicht allein verantwortlich gewesen sein soll. Wie bei der Ermordung Kennedys wurde vielfach auch amerikanischen Regierungskreisen eine Mitschuld zugeschrieben. Ray selbst beteuerte nach einem anfänglichen Geständnis seine Unschuld.

Kings Tod rief eine Welle von Unruhen und Krawallen überall in den USA hervor, bei denen 39 Menschen ums Leben kamen. Letztlich hatten sich Kings Ideen vom gewaltlosen Protest zwar nicht komplett durchsetzen können, sie hatten aber größere Erfolge erzielt als alle anderen Initiativen schwarzer Bürgerrechtler. Martin Luther King gilt daher nach wie vor als der landesweite Führer der Civil Rights- Bewegung und als derjenige, dem man die weitestgehende Beseitigung der Rassentrennung zu verdanken hat.