Die neue Regierung unter Joe Biden war noch nicht allzu lange im Amt, als das amerikanische Satiremagazin The Onion behauptete, Kamala Harris werde von den Biden-Leuten gezwungen, den ganzen Tag am Computer zu sitzen, falls eine Email ankommt. Es ist nicht auszuschließen, dass Kamala Harris diese Worte empfindlich getroffen haben könnten. Es ist kein Geheimnis, dass Harris ambitionierter ist als es für die typischerweise eher zeremonielle Rolle einer Vizepräsidentin nötig wäre. Ihre Unterstützer weiß sie vor allem wegen ihres durchdachten, aktiven Politikstils und ihres selbstbewussten, manchmal dominanten, aber zugleich auch sehr nahbaren Auftretens hinter sich. In ihrer Rolle als Vizepräsidentin der USA stand sie nur kurz im Kegel der Scheinwerfer, als sie das Amt als erste Frau in der Geschichte übernommen hatte. Bald jedoch verschwand sie in der zweiten Reihe. Das ist bei einer Stellvertreterin eigentlich nicht ungewöhnlich, aber Kamala Harris hatte man in der Öffentlichkeit immer anders gesehen. Dass sie unter besonderer Beobachtung stehen würde, war klar. Immerhin hatte sie selbst Präsidentin werden wollen und immerhin ist sie Vize unter dem ältesten Präsidenten, den die USA je hatten und damit irgendwie auch für dessen Nachfolge eingeplant.

Kamala Harris: Jugend und Ausbildung

Kamala Devi Harris wurde am 20. Oktober 1964 in Oakland, Kalifornien, als Tochter einer aus Indien stammenden Biomedizinerin und eines in Jamaika geborenen Wirtschaftsprofessors an der Stanford University geboren. Die Familie lebte in Berkeley und zog dann nach Illinois, wo Kamalas Schwester Maya geboren wurde. Die Eltern trennten sich 1970, als die Mutter mit ihren beiden Töchtern zurück nach Kalifornien zog. Beide Schwestern kamen über die Mutter mit dem Hinduismus in Kontakt und Kamala fühlte sich besonders von ihrem indischen Großvater inspiriert, der sehr progressive Ansichten pflegte. Im Alter von 12 Jahren zog die Familie nach Montreal, wo Kamala eine französischsprachige Schule besuchte. Nach dem High-School-Abschluss besuchte Harris die Howard University, die sie 1986 mit einem Abschluss in Politikwissenschaften und Wirtschaft beendete. Anschließend wechselte sie zurück nach Kalifornien, wo sie 1990 ein Jura-Studium abschloss.


Staatsanwältin in San Francisco

Nach dem Abschluss in Jura wurde Kamala Harris zunächst von der Staatsanwaltschaft im kalifornischen Alameda County angestellt. Nach acht Jahren in dieser Position wechselte sie 1998 in die Staatsanwaltschaft von San Francisco. Dort leitete sie eine Abteilung mit fünf Personen und führte die Anklagen vor allem gegen Schwerkriminelle. Nach internen Querelen verließ sie den Posten im Jahr 2000 und nahm eine Stelle in der städtischen Rechtsabteilung an. Sie leitete die dortige Division für Familienrecht und beschäftigte sich unter anderem mit Fällen von Kindeswohlgefährdungen.

Es war unter anderem Harris‘ geschicktem Knüpfen von Verbindungen zu verdanken, dass sie im Jahr 2004 die Wahl zur Bezirksstaatsanwältin gewinnen konnte. In ihrer Kampagne wurde sie unter anderem von dem bekannten Comedian Chris Rock, der einflussreichen demokratischen Senatorin Dianne Feinstein und dem beliebten ehemaligen Bürgermeister San Franciscos unterstützt. Zu den Errungenschaften ihrer Amtszeit zählen die Einrichtung von Abteilungen für Umweltkriminalität und für Hassverbrechen sowie ihre Erfolge im Kampf gegen die Verbreitung von Schusswaffen. Bemerkenswert ist zudem, dass sie das Versprechen gab, als Anklägerin nie auf eine Verurteilung zum Tode zu plädieren und dieses Versprechen auch hielt, trotz öffentlichen Drucks bei schweren Kapitalverbrechen. Zudem förderte sie Programme, mit denen erstmalig straffällig gewordene Täter mit gemeinnütziger Arbeit ihre Taten ausgleichen konnten. 2007 stellte sie sich erfolgreich der Wiederwahl.


Generalstaatsanwältin von Kalifornien

Im Jahr 2010 konnte Kamala Harris, erneut unterstützt von namhaften Vertretern der Demokratischen Partei, die Wahl zum Attorney General (Generalstaatsanwältin / Justizministerin) von Kalifornien für sich entscheiden. Sie wurde damit die erste Frau und die erste schwarze Person, die diesen Posten innehatte. Zu den ersten Erfolgen ihrer Amtszeit gehörte es, für kalifornische Immobilienbesitzer höhere Entschädigungen für illegal erfolgte Zwangsvollstreckungen herauszuholen. Wie schon in San Francisco setzte Harris auch auf Bundesstaatsebene ein Programm um, das erstmaligen Straftätern den Weg zurück in die Gesellschaft ebnete. Ebenfalls wie in San Francisco legte sie zudem strenge Maßnahmen auf, um dauerhaft die Schule schwänzende Schüler zurück in die Schulen zu bringen, was einen Rückgang jugendlicher Straftaten zur Folge hatte. Weitere nennenswerte Meilensteine ihrer Amtszeit war die Umsetzung der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen in Kalifornien, ein verstärktes Vorgehen gegen Umweltdelikte und die Gründung der eCrime-Einheit in der Staatsanwaltschaft, die sich mit Fällen von Erpressung, Stalking und sexueller Belästigung online beschäftigt.

Besondere Aufmerksamkeit erregte aber Kamala Harris‘ Arbeit gegen die organisierte und Gang-Kriminalität. Harris‘ Staatsanwaltschaft erreichte zahlreiche Verurteilungen und Beschlagnahmungen gegen einige der berüchtigten Gangs. Im Jahr 2012 schloss sie eine Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung der Gang-Kriminalität mit ihrem mexikanischen Amtskollegen, die zu einer besseren Koordination der Kontrolle der Grenzübergänge führte. Im Wahlkampf zur Wiederwahl im Jahr 2011 erhielt Harris eine wahlkampfspende von 5000 Dollar von Donald Trump; sie spendete das Geld später an eine gemeinnützige Organisation.


Kamala Harris als Senatorin

Harris gewann die Wahl um den freigewordenen Platz als Senatorin von Kalifornien im November 2016. Schnell wurde sie im Senat zu einer der wichtigsten Stimmen gegen den gleichzeitig gewählten Präsidenten Trump. Spätestens mit ihrer führenden Rolle und den harten Befragungen von Zeugen während der Untersuchungen des Senats zur Entlassung von James Comey wurde Harris auch den Amerikanern außerhalb Kaliforniens bekannt. Später folgten ebenso engagierte Befragungen zu Trumps Einwanderungspolitik, zum Report von Robert Mueller und des für den Supreme Court nominierten Richters Brett Kavanaugh. Während des ersten Verfahrens zur Amtsenthebung gegen Donald Trump stimmte sie für dessen Impeachment. Als Senatorin trat Kamala Harris für eine Verschärfung der Waffengesetze, für einen humanen Umgang mit Immigranten und für die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Community ein. Sie zeigte sich offen für eine Reform der Wahlkampffinanzierung und für eine mögliche Abschaffung des Wahlmännersystems. Weitere Schwerpunkte waren Bemühungen um Umwelt- und Klimaschutz und für eine Ausweitung der Krankenversicherung.

In der Außenpolitik kritisierte Harris China scharf für Verletzungen der Menschenrechte, war aber eine entschiedene Gegnerin des von Trump angezettelten Handelskriegs mit China. Sie setzte sich gegen die Streichung von Entwicklungshilfegeldern für mittelamerikanische Staaten ein und bezeichnete Trumps Kritik an NATO-Ländern wie Deutschland als „widerwärtig“. Harris beschuldigte Russland der Einmischung in die US-Wahlen und des Abschusses der MH17 im Jahr 2014 und befürwortete Sanktionen gegen Russland.


Vizepräsidentin Kamala Harris

Im Januar 2019 verkündete Harris ihre Absicht, in den demokratischen Vorwahlen um die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin einzusteigen. Trotz anfangs guter Umfragewerte war sie im Dezember gezwungen, aus dem Rennen auszusteigen, woraufhin sie ihre Unterstützer aufforderte, für Joe Biden zu stimmen. Biden ernannte sie im August 2020 zu seiner Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.

Die Rolle der Vizepräsidentin ließ Kamala Harris naturgemäß wenig Raum, um politische Akzente zu setzen. Da der Senat mit jeweils 50 Republikanern und Demokraten besetzt war, war es häufig Harris‘ Aufgabe, bei Stimmengleichheit die Entscheidungsstimme abzugeben. Biden beauftragte Harris zudem damit, die Zahl der alleinreisenden Immigrantenkinder zu reduzieren. Dazu führte sie Verhandlungen mit mehreren lateinamerikanischen Staaten. Weitere außenpolitische Akzente setzte sie, indem sie während der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar 2024 eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj gab und der Ukraine weitere Hilfen und Waffenlieferungen zusagte. Über Russland sagte sie, das Land habe sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuschulden kommen lassen. Im März 2024 forderte sie einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas und drängte Israel, die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen zu ermöglichen,

Am 22. Juli 2024 zog Joe Biden seine Kandidatur für die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2024 zurück und empfahl seinen Anhängern, für Kamala Harris zu stimmen.


Zurück zu: Wahlen USA 2024
Zurück zu: Amerikanische Persönlichkeiten