Das Thema Waffenrecht spielt im politischen Leben der USA und auch für die Reputation des Landes immer wieder eine große Rolle. Amerika ist bekannt für die freie Verfügbarkeit von Waffen, die sogar in der Verfassung verankert ist. Die Lobby der Waffenbesitzer und Befürworter ist stark und jeder Präsident, der am freien Zugang zu Waffen etwas ändern möchte, braucht einen extrem langen Atem und schafft doch am Ende allenfalls kleinere Beschränkungen. Daran ändern auch die viel zu häufig vorkommenden Massenschießereien und Amokläufe nichts. Untersuchungen zufolge befinden sich mehr als 390 Millionen Handfeuerwaffen im Besitz von amerikanischen Privatleuten, das entspricht etwa 46% der gesamten privaten Waffen auf der Welt und einem Schnitt von 120 Waffen auf 100 Bürger.

Die Grundlage: Der Zweite Verfassungszusatz

Das Recht, Waffen zu besitzen, ist in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben, genauer im zweiten Verfassungszusatz (second amendment). Dieser wurde im Jahr 1791 verabschiedet und geht auf eine ähnliche Vorgabe im britischen Recht zurück. Die Klausel entstand damals aus der Besorgnis heraus, eine Regierung könne die Armee gegen das eigene Volk einsetzen oder es zu unterdrücken versuchen, wogegen sich das Volk mit einer bewaffneten Miliz würde schützen müssen. Der genaue Text des zweiten Verfassungszusatzes lautet: „Da eine wohlgeordnete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden“ („A well regulated militia being necessary to the security of a free state, the right of the people to keep and bear arms shall not be infringed“). An diesem Satz entzündet sich zugleich die Debatte rund um das Waffenrecht in den USA. Die Definition einer „wohlgeordneten Miliz“ lässt viel Spielraum für Interpretationen und sicher hatten die Schöpfer der Verfassung im 18. Jahrhundert nicht die schweren, automatischen Waffen mit enorm hohen Tötungspotenzial im Kopf, die heute im Umlauf sind. In einer Grundsatzentscheidung im Fall District of Columbia v. Heller im Jahr 2008 bestätigte der Supreme Court zum ersten Mal, dass die Vorgabe des Second Amendment als individuelles Recht jedes einzelnen US-Bürgers zu verstehen ist und bestätigte damit die Rechtmäßigkeit des privaten Waffenbesitzes.

Die Auswirkungen: Waffengewalt in den USA

Regelmäßig gehen Meldungen über Amokläufe und Massentötungen mit Schusswaffen durch die internationalen Medien. Tatsächlich beziehen sich solche Meldungen aber meist nur auf die auffälligsten Vorkommnisse, bei denen viele Menschen ums Leben kommen. Statistiken zufolge werden jährlich zwischen 25.000 und 30.000 Menschen durch Schusswaffen verletzt, zwischen 13.000 und 16.000 kommen sogar ums Leben – die mehr als 20.000 Selbstmorde jedes Jahr nicht mitgerechnet. Solche Gewalt ist in einigen Großstädten gewissermaßen an der Tagesordnung. An einem beliebigen Wochenende in Chicago im Sommer 2020 zum Beispiel erlitten 45 Menschen Schusswaffenverletzungen, neun starben. Tatsächlich gehen viele der Verletzungen und Tötungen mit Waffen auf Gangkriminalität zurück, doch solche Vorfälle lösen in der Regel keine Diskussionen über Schusswaffen aus. Diese dagegen beginnt immer dann, wenn es zu furchtbaren Massentötungen kommt wie bei dem Massenmord in Las Vegas im Oktober 2017 mit 59 Toten oder dem Amoklauf an der Schule in Parkland, Florida, mit 17 Toten im Februar 2018.




Diskussionen über Verschärfungen

Amokläufe wie die genannten sorgen immer wieder neu für den Ruf nach einer Verschärfung der Waffengesetze. Diese Forderungen sind im politischen Spektrum fast ausschließlich auf Seiten der Demokraten anzufinden, wobei auch dort eine radikale Forderung nach der Abschaffung des Second Amendment eher selten ist. So geht es in der Auseinandersetzung über das Waffenrecht eigentlich nie um ein Verbot des Privatbesitzes, sondern um Einschränkungen und Begrenzungen des bestehenden Rechts. Zu den grundsätzlichen Argumenten der Seite, die für Beschränkungen eintritt, zählt dabei der Hinweis auf die völlig veränderten Waffenklassen seit der Verabschiedung des zweiten Verfassungszusatzes. Diese Seite argumentiert, es sei nicht einzusehen, warum zu einer „wohlgeordneten Miliz“ zwingend auch halbautomatische Waffen mit extrem schneller Schussfolge zählen müssen. Diese Seite verweist zudem auf die hohen Opferzahlen durch Schusswaffengebrauch und auf die Tatsache, dass selbst psychisch kranke Menschen und bekannte Gewalttäter zu leicht an Waffen kommen können.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht die konservative Meinung in den USA, die ihr politisches Zuhause typischerweise in der Republikanischen Partei hat, sowie in der fünf Millionen Mitglieder starken National Rifle Association NRA, die eine der weltweit aktivsten und stärksten Lobbygruppen ist und gezielt politische Kandidaten unterstützt, die für das Recht auf Waffenbesitz einstehen. Die konservative Seite der politischen Meinung in den USA wendet sich gegen so gut wie jede Einschränkung hinsichtlich des Erwerbs und Besitzes von Feuerwaffen. Das wichtigste Argument ist dabei immer der Gedanke, das nur bewaffnete Bürger sich effektiv gegen Kriminelle verteidigen können. Dieses Argument wird auch nach Amokläufen und ähnlichen Vorkommnissen immer wieder angeführt.

Geltendes Waffenrecht in den USA

Das Recht auf Waffenbesitz aus dem Second Amendment gilt im ganzen Land. Trotzdem haben alle Bundesstaaten und auch viele Landkreise (Counties) oder einzelne Städte und Orte jeweils eigene Gesetze, die dieses Grundrecht weiter definieren und beschränken. Zusätzlich gibt es zahlreiche Gesetze auf Bundesebene zum Thema. Diese Beschränkungen können sich auf das Mindestalter eines Waffenkäufers beziehen, vor allem aber auf die Art des Tragens der Waffen. In vielen Orten ist das offene Tragen von Waffen verboten, diese müssen verborgen mitgeführt werden. Auch hieran entzündet sich bereits Streit, denn die Waffenlobby argumentiert, dass Verbrecher ihre Waffen versteckt halten, während gesetzestreue Bürger diese offen zeigen sollten.

Die wichtigeren Streitpunkte zwischen Waffengegnern und -befürwortern sind aber meist die Fragen, welche Personen Waffen besitzen dürfen und wie diese Waffen ausgestattet sein dürfen. Ein wichtiges Gesetz in diesem Zusammenhang ist der Brady Handgun Violence Prevention Act von 1993, oft kurz als „Brady Act“ bezeichnet. Mit diesem wurde festgelegt, dass ein Background-Check des Käufers durchgeführt werden muss, bevor ein Händler diesem eine Waffe verkaufen darf. Im Rahmen dieses Checks können mehrere Gründe dazu führen, dass ein Verkauf abgelehnt wird. Abgelehnt wird ein Waffenverkauf, wenn der Käufer kein US-Staatsbürger ist, eine Gefängnisstrafe von mehr als einem Jahr Länge erhalten hat, wegen häuslicher Gewalt straffällig geworden ist, vom Militär unehrenhaft entlassen worden ist oder wegen einer psychischen Krankheit in Behandlung ist. Der Check wird meist innerhalb weniger Minuten abgeschlossen. Seitdem das Gesetz in Kraft ist, wurden 1,2 Millionen Kaufanträge abgelehnt, das entspricht nicht einmal einem Prozent aller Kaufversuche. Von Interesse ist darüber hinaus der Federal Assault Weapons Ban von 1994, mit dem der Verkauf von halbautomatischen Sturmgewehren und von großen Munitionsmagazinen verboten worden war. Das Verbot lief im Jahr 2004 aus und trotz mehrerer Bemühungen, eine neue Version des Banns zu verabschieden, gibt es seitdem keine Einschränkungen mehr für Herstellung, Verkauf und Besitz solcher Waffen. Bei den Schul-Amokläufen von Sandy Hook im Jahr 2012 und von Parkland im Jahr 2018, beim Angriff auf eine Kirche in Sutherland Springs im Jahr 2017 und bei der Massentötung von Las Vegas in 2017 kamen jeweils halbautomatische Waffen zum Einsatz.


Weiterführende Beiträge:
Amokläufe und Massenschießereien in den USA