Das Boston Massacre (Massaker von Boston) war ein Ereignis im Jahr 1770, das im historischen Rückblick eines der wichtigsten Elemente auf dem Weg zur amerikanischen Unabhängigkeit von Großbritannien war. Der Schauplatz des Boston Massacre lag unweit des Old State House in Boston, allerdings nicht an der Stelle, an der heute eine Markierung im Straßenpflaster an das Ereignis erinnert.
Datum: | 5. März 1770 |
Schauplatz: | Kreuzung Devonshire und State Street, Boston |
Beteiligte: | neun britische Soldaten, etwa 350 zivile Bewohner der Kolonie |
Wichtige Namen: | Thomas Preston, Thomas Hutchinson, John Adams |
Boston, heute die Hauptstadt des Bundesstaats Massachusetts, war als eine der größten Städte in Nordamerika und als wichtiger Hafen einer der Orte, von denen aus die britische Krone ihre Kolonien steuerte und kontrollierte. Zugleich war die Stadt aber auch der wohl wichtigste Ort, an dem sich die Bewohner dieser Kolonien gegen die Herrschaft aus der Fremde auflehnten. So war 1765 seitens der britischen Krone zunächst mit dem Stamp Act versucht worden, eine Besteuerung aller gedruckten Waren einzuführen, was nach massiven Protesten der Bürger 1766 wieder aufgehoben wurde. Die Krone war aber weiterhin auf der Suche nach Einnahmequellen, da der Schutz der Kolonien gegenüber der indigenen Bevölkerung hohe Kosten verursachte. So beschloss das britische Parlament im Juni 1767 mit den Townshend Acts, Einfuhrzölle auf Güter zu erheben, die aus Großbritannien stammen. Darunter fielen viele Güter des täglichen Bedarfs, etwa Papier, Tee oder Leder.
Das Parlament der Kolonie begann unmittelbar nach der Einführung des Gesetzes damit, formal Protest dagegen einzulegen, was jedoch wenig Erfolg hatte. Die Bevölkerung wurde immer unruhiger, die Stimmung heizte sich auf. Das galt umso mehr, nachdem der Chef der Zollbehörde militärische Unterstützung erbeten hatte und London ein Kriegsschiff entsandte. Dessen Kommandant ließ bald heimische Matrosen zwangsrekrutieren, was zu weiteren Protesten führte. Im Juni 1768 beschlagnahmten die Marinesoldaten das Schiff des Händlers John Hancock, dem sie Schmuggel vorwarfen.
Im Bemühen, die aufkommenden Proteste zu beruhigen, entsandte die britische Krone mehrere Militäreinheiten, die ab Oktober 1768 in Boston eintrafen. Die Lage beruhigte sich in der Folge ein wenig, doch immer wieder machten Gerüchte die Runde, die Briten wollten mit Gewalt gegen die Kolonisten vorgehen. Kleinere Zusammenstöße und Zwischenfälle wurden von den Zeitungen in der Kolonie dabei häufig aufgebauscht.
Am 22. Februar 1770 kam es zu Protesten vor dem Wohnhaus des Zollbeamten Ebenezer Richardson. Um die zunehmend aufgebrachte Menge zu zerstreuen, feuerte Richardson in die Menge und traf den 11 Jahre alten Christopher Seider, Sohn einer verarmten deutschen Einwandererfamilie, der seinen Verletzungen später erlag. Die Stimmung heizte sich danach, wiederum angefeuert durch die Zeitungen, noch weiter auf. Der Beisetzung des Jungen wohnten mehr als 2000 Menschen bei. In den folgenden Tagen versammelten sich immer wieder Menschen, die gezielt Soldaten und andere Repräsentanten der britischen Krone umkreisten, beschimpften und beleidigten.
So kam es am Abend des 5. März 1770 zu einer Szene, in der Edward Garrick, ein 13 Jahre alter Lehrling eines Perückenmachers, vor dem Gebäude der Zollverwaltung erschien und den dort ansässigen Offizier lautstark beschuldigte, eine Rechnung seines Chefs nicht bezahlt zu haben. Garrick schrie seine Beschuldigungen rund eine Stunde lang, bis der Wachtposten, Hugh White die Szene auflösen wollte und den Jungen mit seiner Muskete gegen den Kopf schlug. Freunde des Jungen umringten White daraufhin und andere Menschen kamen schnell dazu. Die Menge bedrängte den Wachmann, bewarf ihn mit Schneebällen und Eisstücken und forderte ihn auf, zu schießen, wenn er sich traue. Der Militärkommandant Thomas Preston entsandte weitere Soldaten, um White zu schützen, doch auch die Menge wuchs immer weiter an, bis auf etwa 350 Menschen. Preston selbst trat vor die Menge und versuchte, sie zu zerstreuen. Stattdessen drängten die Menschen weiter, forderten die Soldaten auf zu schießen und bewarfen sie mit Gegenständen. Einer davon traf den Soldaten Hugh Montgomery, der zu Boden ging. Er richtete sich wieder auf und schoss einmal in die Menge, ohne Prestons Erlaubnis. Nach einer kurzen Pause und ohne dass Preston das Kommando dafür gegeben hatte, feuerten auch die anderen Soldaten. Drei Menschen in der Menge starben sofort, zwei weitere Männer erlagen in den folgenden Tagen ihren Verletzungen.
Trotz der Schüsse hatte sich die Menge nur wenige Meter zurückgezogen und wuchs in der Folge sogar noch an. Thomas Hutchinson, der Gouverneur der Kolonie, schaffte es schließlich, die Menschen zu beruhigen, indem er eine sorgfältige Untersuchung versprach. Nach einigen bewussten Verzögerungen, um die allgemeine Stimmung abkühlen zu lassen, kam es Monate später zu Gerichtsverfahren und zu Verurteilungen. Dabei wurden sechs Soldaten freigesprochen, weil sich nicht ermitteln ließ, welcher von ihnen überhaupt geschossen hatte. Auch der Kommandeur Preston erhielt einen Freispruch, weil er keinen Schießbefehl gegeben hatte. Zwei Soldaten wurden verurteilt, aber relativ mild bestraft, weil das Gericht erkannte, dass sie von der Menge bedroht worden waren.
Auch die differenzierte Sichtweise des Gerichts macht deutlich, dass es sich bei dem Vorfall keineswegs um ein „Massaker“ gehandelt hat, also auf ein massenhaftes, gezieltes Töten. Dennoch ist das Ereignis bis heute als Boston Massacre bekannt. Das liegt daran, dass die führenden Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung, unter ihnen Samuel Adams, den Vorfall geschickt für ihre Zwecke ausnutzten und den Begriff „Boston Massacre“ in ihren Publikationen in propagandistischer Form immer wieder benutzten. Auch Bilder spielten eine Rolle: Ein Graveur stellte das Ereignis bildlich dar, wobei die Soldaten als gezielt auf die Menge feuernd dargestellt wurden. Aus der Gravur wurde später ein Bild, das große Verbreitung fand und die Wahrnehmung der Menschen überall in den Kolonien beeinflusste. Das Massaker von Boston wurde so zu einem der ersten Beispiele dafür, wie mediale Darstellungen Stimmungen und Meinungen steuern und bestimmen können.
In politischer und historischer Hinsicht ist das Boston Massacre auch vor allem aus diesem Grund bedeutsam, denn es gelang den Befürwortern einer Loslösung von der britischen Krone, die Stimmung zu kanalisieren. Dies führte drei Jahre später zur Boston Tea Party und schließlich zur Unabhängigkeitserklärung der USA im Jahr 1776. Zu den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung gehörten mit Samuel Adams, John Adams und John Hancock gleich drei Personen, die auch unmittelbar an den Ereignissen rund um das Massaker von Boston beteiligt gewesen waren.
Zurück zu: Geschichte der USA