Die Besetzung und Belagerung der New Mount Carmel Center Ranch in der Nähe von Waco, Texas war ein Ereignis, das im Frühjahr 1993 von Menschen in den USA und in der ganzen Welt gebannt verfolgt wurde. Die wochenlange Belagerung begann mit dem Versuch, einen Durchsuchungsbeschluss und Haftbefehle zu vollstrecken und endete mit einem Großfeuer und mit dem Tod von insgesamt 86 Menschen. Vor allem rechtsradikale und rassistische Gruppierungen sahen in der Belagerung der Ranch in Wacos Landkreis McLennan County ein exemplarisches Beispiel für die Übergriffigkeit des Staates. Das Ereignis war ein Startpunkt für die Bildung paramilitärischer, rechtsradikaler Milizen und diente den späteren Attentätern von Oklahoma City, Timothy McVeigh und Terry Nichols, als Begründung für ihren Terroranschlag.


Hintergrund: Die Branch Davidians und David Koresh

Der später im Mittelpunkt des Geschehens stehende Gebäudekomplex, das New Mount Carmel Center, war 1958 auf dem Gelände einer Ranch etwa 20 Kilometer außerhalb von Waco, Texas errichtet worden. Es diente als Hauptquartier der Branch Davidians; einer Sekte, die sich 1955 von einer Untergruppe der Siebenten-Tages-Adventisten abgespalten hatte. Im Jahr 1981 war Vernon Howell zu der Gruppe gekommen. Er benannte sich später in David Koresh um und wurde zum Anführer einer Splittergruppe. Zwischenzeitlich mit seinen Anhängern vom New Mount Carmel Center verwiesen, kehrte er 1988 zurück und übernahm die Leitung der Sekte, die zu diesem Zeitpunkt etwa 130 Mitglieder zählte; Koresh selbst sah sich dabei als „Lamm Gottes“.

Widerstand gegen den Durchsuchungsbefehl

Die Davidianer waren spätestens seit Sommer 1992 ins Visier der Behörde für Alkohol, Tabak und Schusswaffen (ATF) geraten. Paketboten hatten von verdächtigen Lieferungen berichtet und Nachbarn hatten berichtet, aus dem Inneren des Komplexes die Geräusche automatischer Waffen gehört zu haben. Auf der Grundlage dieser Indizien und der Aussage eines Waffenhändlers erhielt das ATF einen Durchsuchungsbeschluss, den die Behörde eigentlich am 1. März 1993 nutzen wollte. Gegen Koresh und einzelne andere Sektenmitglieder lagen zudem Haftbefehle vor. Die Veröffentlichung einer Artikelserie mit dem Titel „Der sündige Messias“ in der lokalen Tageszeitung Waco Tribune-Herald ab dem 27. Februar aber brachte das ATF dazu, seine Pläne zu ändern. In der Zeitung wurde Koresh vorgeworfen, er habe minderjährige, weibliche Sektenmitglieder „geheiratet“, vergewaltigt und auf diese Weise mehrere Kinder gezeugt. Zudem wurde in den Artikeln der Verdacht artikuliert, dass die Sekte eine große Menge illegaler Waffen auf ihrer Ranch bei Waco verstecke und plane, diese in einer entscheidenden, biblischen Schlacht einzusetzen – die Sektenranch bei Waco werde deswegen von Koreshs Anhängern auch als „Apokalypse-Ranch“ bezeichnet.

Als die Beamten am Morgen des 28. Februar 1993 die Beschlüsse vollstrecken wollten, war die Sekte bereits vorgewarnt – nicht zuletzt, weil ein Kamerateam ausgerechnet einen Verwandten Koreshs nach dem Weg zur Ranch fragte. Im Inneren des Komplexes ordnete Koresh an, dass die Männer sich bewaffnen sollten. Um 9:45 kamen die ATF-Beamten mit mehreren Fahrzeugen an. Es ist bis heute unklar, ob die ersten Schüsse aus dem Inneren des Gebäudes oder von den Beamten kamen, möglich ist auch, dass sich bei einem der ATF-Beamten versehentlich ein Schuss löste. Das anschließende Feuergefecht dauerte insgesamt zwei Stunden. In dieser Zeit gelang es einigen der Beamten, auf das Gelände vorzudringen, wo sie jedoch unter schweren Beschuss gerieten. Nach gut 40 Minuten ließ die Intensität des Feuergefechts nach, weil den Bundesbeamten langsam die Munition ausging.


David Koresh

Insgesamt dauerte das Feuergefecht rund zwei Stunden, dabei wurden vier ATF-Leute getötet und 16 verwundet. Bei den Davidianern gab es fünf Tote und mehrere Verletzte, unter anderem war Koresh von zwei Schüssen getroffen worden. Der Sheriff des Countys brachte beide Seiten schließlich zu einem Waffenstillstand und es wurde der ATF ermöglicht, die getöteten Beamten aus dem Komplex zu holen.

Belagerung und erneute Stürmung

Schon wenige Stunden nach Beginn des Waffenstilstands erschossen die ATF-Beamten ein Sektenmitglied, das zurück in den Komplex gelangen wollte. Trotzdem hielt die Waffenruhe an. Inzwischen hatte das FBI das Kommando übernommen, die Behörde war wegen der Tötung von Bundesbeamten zuständig geworden.

In den ersten Tagen der Belagerung verhandelte das FBI eine friedliche Lösung: Im landesweiten Radio sollte eine Ansprache Koreshs gesendet werden und im Gegenzug sollten die Sektenmitglieder das Gelände friedlich verlassen. Doch nachdem Koreshs Beitrag gesendet worden war, behauptete er, Gott habe ihm befohlen, weiter in dem Gebäude zu warten. Trotzdem kamen kurz darauf 19 Kinder frei. In den Befragungen durch das FBI erzählten diese Kinder von körperlichem und sexuellem Missbrauch durch den Sektenführer. Die Behörde nutzte diese Aussagen später als Argument für den gewaltsamen Angriff, der später erfolgte. Das FBI ließ der Sekte später eine Videokamera zukommen Die Davidianer nahmen damit Statements von einigen Sektenmitgliedern auf und Koresh stellte seine „Ehefrauen“ vor, darunter mehrere Minderjährige. Die Verhandler schlossen aus den Aufnahmen, dass sich noch 23 Kinder in dem Komplex befanden.

Die Belagerung zog sich über mehrere Wochen hin. Koreshs Kommunikation mit dem FBI war immer mehr von seinen Auslegungen der Bibel geprägt, zeitweise erging er sich in Diskussionen mit Religionswissenschaftlern. Die leitenden Beamten des FBI waren davon zunehmend genervt und eine wachsende Zahl von ihnen drängte darauf, die Lage mit Gewalt statt mit Verhandlungen zu beenden. Einige der Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass die Belagerungssituation den religiösen Wahn der Sekte noch weiter befeuern könnte, denn diese könnten sich in ihrer Ansicht bestärkt sehen, dass sie sich in einem biblischen Endkampf oder Weltuntergangsszenario befinden könnten.

Die Vorgehensweise wurde trotzdem aggressiver. Das FBI zerstörte mit gepanzerten Fahrzeugen einige der Zäune um das Gelände und draußen geparkte Autos der Sektenmitglieder und ließ nachts laute Geräusche und Musik abspielen, um die Sektenmitglieder im Inneren um den Schlaf zu bringen. Dann wurde auch die Wasser- und Stromversorgung des Komplexes abgestellt. Koresh, der sich mittlerweile als Wiederkehr von Jesus bezeichnete, ließ kurz darauf elf Sektenmitglieder gehen. Die Kinder blieben jedoch bei ihm, was sie zur Verwunderung der Beamten offenbar freiwillig taten. Als Koresh zwischen dem 5. und 13. April gar nicht mehr mit dem FBI kommunizierte, zog man in Betracht, ihn durch Scharfschützen zu erschießen, hielt sich aus Angst vor einem Massenselbstmord seiner Gefolgschaft aber zurück. Am 14. April verkündete Koresh per Brief, er arbeite noch an einer religiösen Schrift und werde nach der Fertigstellung herauskommen.

Showdown und Katastrophe

Das FBI empfahl der gerade erst neu ins Amt gekommenen Generalstaatsanwältin Janet Reno, die gewaltsame Stürmung des Komplexes anzuordnen und begründete das unter anderem mit dem Verdacht, dass im Inneren Kindesmissbrauch stattfinden würde und dass möglicherweise ein Massenselbstmord bevorstehe. Nach Konsultationen mit Präsident Clinton stimmte Reno zu.

Der finale Angriff fand am 19. April 1993 statt. Das FBI sprengte zunächst Löcher in die Gebäudewände, durch die dann Tränengas ins Innere geleitet wurde. Es wurden keine Schüsse abgegeben, aber die Beamten hatten die Vorgabe, etwaigen Beschuss aus dem Inneren der Gebäude zu erwidern. Als die Davidianer dann doch auf das FBI feuerten, erhöhten die Einsatzkräfte die Intensität des CS-Gases. Wie sich später herausstellte, hatten die Sektenmitglieder Gasmasken zur Verfügung und hatten sich in einem unterirdischen Raum verschanzt.

In der Mittagszeit brachen im Inneren des Komplexes fast zeitgleich drei Feuer aus, über die bis heute Unklarheit herrscht. Im Untersuchungsbericht der Regierung wird dargelegt, dass die Brände von den Sektenmitgliedern gelegt wurden. Andere Quellen sehen Hinweise darauf, dass die Feuer ausbrachen, weil die vom FBI verfeuerten Tränengaspatronen mit geringen Mengen Sprengstoff gezündet worden. Allerdings hatten die Mikrofone des FBO schon Stunden vorher Gesprächsfetzen aus dem Inneren aufgenommen, die darauf schließen ließen, dass die Davidianer einen Brandbeschleuniger rund um das Gebäude verteilt hatten. Trotzdem waren zunächst keine Feuerwehrleute vor Ort und die nach Ausbruch der Feuer alarmierten örtlichen Wehren wurden an den FBI-Straßensperren mehrere Minuten lang aufgehalten.

Die Feuer ließen den Davidianern wenig Chancen zu entkommen. Neun Menschen konnten sich aus dem Komplex retten, doch im Inneren kamen 76 Menschen ums Leben. Einige starben durch Kohlenmonoxidvergiftungen durch die Brände, einige wurden von einer einstürzenden Wand erschlagen. Zwanzig der Opfer, darunter auch Koresh, sein Assistent und mehrere Kinder, starben an Schussverletzungen. Man vermutet, dass viele der Opfer den Schutzraum nicht mehr verlassen konnten oder daran gehindert wurden und sich selbst ermordeten oder zur Verkürzung der Qualen getötet wurden. Im Anwesen der Sekte wurde später ein großes Lager mit insgesamt 305 Waffen gefunden, zu dem auch automatische Waffen und Granaten gehörten, dazu fast zwei Millionen Schuss Munition.

Folgen und die Entwicklungen nach Waco

Die Begründungen und Vorgehensweisen der Behörden und die katastrophalen Folgen der Belagerung von Waco führten zu mehreren Untersuchungen und zu einer Neuausrichtung der taktischen Vorgaben für das Geiselrettungsteam des FBI. Das Geschehen wurde in großem Umfang in den Medien sowie vor Gericht aufgearbeitet. Dabei kam es zu neun Verurteilungen von Sektenmitgliedern, unter anderem wegen Totschlags. Auch einige der Davidianer reichten Klagen gegen die Behörden wegen ihres Vorgehens ein, blieben damit aber erfolglos.

Als wesentlich bedeutsamer sollte sich die Interpretation des Sektendramas von Waco in den extrem rechten Kreisen der USA erweisen. Neben der ebenfalls mit tödlichem Ausgang geendeten Belagerung von Ruby Ridge im August 1992 gelten die Ereignisse von Waco als Geburtsstunde der amerikanischen Milizbewegung. Ab Anfang 1994 sammelten sich in dieser Bewegung oft gewaltbereite Kräfte, vor allem vom extrem rechten Rand, die der Regierung in Washington ablehnend gegenüberstanden, christlichen Fundamentalismus vertraten und Verschwörungstheorien anhingen, wonach Washington und internationale Organisationen an einer neuen Weltordnung arbeiteten. Die zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft der Milizen zeigte ich in den folgenden Jahren unter anderem beim Bombenanschlag von Oklahoma City am zweiten Jahrestag der Stürmung der Ranch in Waco, bei den Entführungsplänen gegen die Gouverneurin von Michigan 2020 und dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021.


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